Mittwoch, 22. Juli 2009

Personalmanagement in Japan und den USA

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International agierende Manager sind regelmäßig mit der Tatsache konfrontiert, dass Unternehmensführung und Managementstil im Ausland von kulturspezifischen Merkmalen geprägt sind. Diese Merkmale spiegeln sich in der Konsequenz auch in den Arbeitsprozessen wider. Diese Unterscheide sollen exemplarisch am Beispiel der japanischen und amerikanischen Automobilbranche erläutert werden.

Die Vergleichszahlen der folgenden Tabelle geben bereits Hinweise auf verschiedenartige Konzepte in den Bereichen Personalmanagement und Produktionstechnik in Japan und den USA.

(vgl. Zülch 1994)


Das Kanban-System

In Zusammenhang mit den Tabellenwerten des Merkmals „Lagerbestand“ ist das Kanban-System zu nennen, eine besondere Planungsmethode des Supply Chain Management. Das Kanban-System wurde Anfang der 50er Jahre vom Ingenieur Taiichi Ohno entwickelt und in den Werken des japanischen Automobilskonzerns Toyota erfolgreich angewendet. Der japanische Begriff „Kanban“ bedeutet übersetzt etwa „Karte“ oder „Schild“. Die im Rahmen des Produktionsprozesses benötigten Teile sind nicht im eigenen Lager vorrätig, sondern werden mittels einer so genannten Kanban-Karte beim Lieferanten angefordert. Dieser liefert die entsprechenden Artikel rechtzeitig und zu exakt dem Zeitpunkt, wo sie in der jeweiligen Produktionsphase benötigt werden. Das Kanban-System wird als Ausgangspunkt für das Just-in-Time (JIT) Konzept angesehen, das ebenfalls die zeitgenaue Anlieferung von Bedarfsmaterial am Bedarfsort vorsieht.

Die Gründe für die Entstehung eines derartigen Logistiksystems liegen in den besonderen geographischen und kulturellen Gegebenheiten Japans. In den 50er Jahren besaßen japanische Automobile nicht die Qualität wie amerikanische Modelle. Es galt also, Schwachstellen bei der eigenen Produktion aufzudecken und Qualitätssicherungsstrategien zu realisieren. Hinzu kam ein Mangel an Bauland, der für hohe Lager- und Bestandkosten sorgte und generelle Rohstoffknappheit, die zur Vermeidung von Verschwendung im Rahmen der Produktion zwang. Das Kanban-System basiert auf Wahrnehmungs-, Denk- und Handelsstrukturen, die charakteristisch für die japanische Kultur sind: Ein Netzwerk von Abnehmern, die in der Hol- und Verbrauchspflicht sind, und Lieferanten, die für eine hohe Qualität und die ausreichende Menge der Montageteile bürgen. Beide Seiten stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis zueinander und zeichnen sich durch ein hohes Maß an Vertrauen, Harmonisierung und Gruppendenken aus. Somit erklärt sich der im Vergleich mit dem USA-Werken geringe Lagerbestand-Wert von 0,2 Tage für 8 ausgewählte Teile in japanischen Werken. Konzepte wie Kanban oder JIT wurden und werden auch in anderen Ländern angewandt, allerdings vergleichsweise nicht in der Intensität wie das Kanban-System in Japan, welches sich auf geographische und soziokulturelle Spezifika Japans stützt, die in dieser Form in anderen Ländern nicht existieren.


Arbeitsplatz- und Aufgabenwechsel

In den USA ist Job Rotation im Vergleich zu Japan sehr selten, was die beiden Werte in der Tabelle (Japan: 3,0/USA: 0,9) verdeutlichen. Amerikanische Arbeitnehmer sind primär Spezialisten auf einem kleinen operativen Fachgebiet. Finden Weiterbildungsmaßnahmen statt, dann in erster Linie in dem jeweiligen Tätigkeitsbereich, so dass vorhandenes Wissen vertieft statt breiter gestreut wird. Japanische Mitarbeiter hingegen sind gleichzeitig Spezialisten und Generalisten. Spezialisten aufgrund ihrer umfangreichen und vor allem kontinuierlichen Ausbildung innerhalb des Betriebs. Und Generalisten, weil sie durch Job Rotation neue Perspektiven bekommen, Zusammenhänge verstehen und mehrdimensional denken. Durch permanenten Arbeitsplatzwechsel können beispielsweise Konsequenzen der eigenen Handlungen und Entscheidungen besser abgeschätzt werden. Generell ist das Personalwesen ist von hoher Bedeutung in japanischen Unternehmen. Management und Mitarbeitern bilden eine Gemeinschaft, für die Konsens, Gruppenverantwortung, ethisch-gesellschaftliche Werte und ein kooperativer Führungsstil charakteristisch sind.


Managementkonzepte

Die japanische Philosophie, die gesamte Gruppe an Entscheidungsfindungsprozessen zu beteiligen, findet sich auch im japanischen Managementkonzept „Kaizen“ wieder (in den USA ist „Kaizen“ unter dem Namen „Continuous Improvement Process“ (CIP) bekannt). „Kaizen“ ist ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess, bei dem die Einbeziehung aller Mitarbeiter, vom Top-Management bis zum Arbeiter, elementarer Bestandteil ist. Mitarbeiter können auf unterschiedliche Weise auf die Verbesserungsmaßnahmen Einfluss nehmen; Qualitätszirkeln und Vorschlagwesen seien hier als Beispiele genannt (vgl. Macharzina 1993). Die Bedeutung von Teams bzw. Gruppenarbeit in japanischen Betrieben zeigt sich in der Tabelle – wenn auch nicht als monokausal zu sehen – bei dem hohen Anteil an Teamarbeitern von 69,3% (im Vergleich zu 17,3% in amerikanischen Werken). Ein harmonisches Gruppendenken wie in Japan ist in US-Firmen eher unüblich. Besonders bei Unternehmensführungskonzepten wie dem „Re-engineering“-Modell (eine Art radikale Neugestaltung von Strukturen und Prozessen zur langfristigen Erfolgssicherung, vgl. Macharzina 1993) gilt es für die Manager, starken Leistungsdruck zu erzeugen und Konkurrenzsituationen zwischen Mitarbeitern oder Teams zu schaffen. Auf diese Weise sollen Innovation, Lernwilligkeit und Leistungsbereitschaft erhöht werden. Unter anderem sorgt dieser Konkurrenzdruck dafür, dass echte Teamarbeit verwässert wird durch das Bedürfnis der einzelnen Mitarbeiter, mit besonderer Leistung herauszuragen.


Unterschiedlicher Zeithorizont

Amerikaner und Japaner haben einen unterschiedlichen Zeithorizont bzw. Planungsumfang. Beide Aspekte sind bei Amerikanern stärker gegenwartsorientiert als bei Japanern, die eher eine langfristige Perspektive besitzen. In den USA ist das Ausbildungskonzept „Training on the job“ üblich, wobei der Arbeitnehmer quasi die Aufgaben seines Jobs lernt während er diesen bereits macht. Diese Ausbildungsmethode ist wenig zeitintensiv, allerdings fehlt dem Arbeitnehmer das „bigger picture“, also das Verständnis für übergeordnete Prozesse und Zusammenhänge, da er primär aufgabenspezifisch ausgebildet wird. Das Verhältnis der Amerikaner zu Zeithorizont und Planungsumfang zeigt sich auch in ihrer oft pragmatischen und aktionsorientierten Mentalität. Entscheidungen werden schnell getroffen, Neuerungen werden schnell und teilweise radikal umgesetzt. Folglich gibt es statt langfristiger Personalentwicklung eher kurzfristige Einstellungen, zum Beispiel wenn das Unternehmen zu einem bestimmten Zeitpunkt bestimmte Fachkenntnisse benötigt. Auf der anderen Seite investieren japanische Unternehmen viel Zeit und Geld in die berufliche Ausbildung seiner Angestellten, wie sich an dem entsprechenden Tabellenwert von 380,3 Arbeitsstunden (im Vergleich zu den amerikanischen 46,6h) feststellen lässt. Lebenslange Beschäftigung in derselben Firma ist der Regelfall in Japan, was die umfangreiche Ausbildungszeit einerseits erklärt, andererseits rechtfertigt.

Jobsicherheit

Die unterschiedlich intensive Ausbildungsdauer spiegelt sich auch im Umgang mit Entlassungen wider. Entlassungen von Festangestellten sind in Japan sehr selten. Eine Entlassung geht mit dem Verlust von wertvollem Humankapital einher, dass in Japan schwieriger zu ersetzen ist als z.B. in den USA: Die Berufsausbildung ist zeitintensiv, findet in den jeweiligen Unternehmen statt und ist folglich stark organisationsspezifisch, so dass ein unternehmensübergreifender Arbeitsmarkt für qualifizierte Jobs nur in geringem Maße existiert. Die „Hire & Fire“-Mentalität ist ein Bestandteil der US-amerikanischen Gesellschaft und ist für Arbeitnehmer ein ganz normaler Prozess in der Arbeitswelt. Amerikaner haben traditionell eine hohe Jobmobilität. Arbeitssuche und Jobwechsel nach Entlassungen oder Neuanfänge nach Pleiten (Scheitern ist akzeptabel, sofern man wieder aufsteht) besitzen kein soziales Stigma wie dies zum Beispiel in Japan (oder auch in Deutschland) der Fall ist. Weiterhin ist zu bedenken, dass in Japan eine Entlassung mit einem schweren Gesichtsverlust der Beteiligten verbunden wäre. Beim Entlassenen aus offensichtlichem Grund des Arbeitsplatzverlustes und beim ehemaligen Arbeitgeber, weil die Entlassung ein Eingeständnis wäre, im Vorfeld (bei der Einstellung) einen groben Fehler begangen zu haben.

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