Mittwoch, 30. April 2008

Todesanzeigen in Deutschland und USA

Deutsche und US-amerikanische Todesanzeigen haben eine sehr stabile und schematische Struktur. Der Inhalt, der dem Rezipienten kommuniziert wird, ist eindeutig: Es wird über das Ableben einer bestimmten Person informiert. Die verbale Ebene einer deutschen bzw. US-amerikanischen Todesanzeige beinhaltet feste Kernelemente, z.B. den Namen des Toten, die Tatsache seines Ablebens, Todestag und Informationen bezüglich der Bestattung (Inhaltsaspekt). Die nonverbale, paraverbale und extraverbale Ebene, also z.B. die Art und Weise wie diese Fakten oder eventuelle zusätzliche Informationen dargestellt werden, gibt dem Rezipienten zu verstehen, in welchen Kontext er die auf der verbalen Ebene vermittelten Informationen zu setzen hat (Beziehungsaspekt).



Während die Unterschiede zwischen Todesanzeigen aus Deutschland und den USA auf der verbalen Ebene geringfügiger sind, verhält es sich auf nonverbaler, paraverbaler und extraverbaler Ebene anders.
  • Nonverbale Elemente sind beispielsweise die Form und das Layout der Todesanzeige. Die Form einer deutschen Todesanzeige ist quadratisch oder rechteckig (wobei die horizontalen Linien die längeren sind), in ihrer Größe variabel und mit einem breiten schwarzen Rand begrenzt. Auf diese Weise ist die Anzeige klar vom redaktionellen Teil einer Zeitung abgetrennt und eindeutig als Todesanzeige identifiziert. Der Name des Verstorbenen steht exakt zentriert in der Anzeige. US-amerikanische Todesanzeigen hingegen haben keinen schwarzen Rand, ihr Layout gleicht einer Kurznachricht im Fließtext, beginnend mit dem Wohnort des Toten und seinem Namen. Mit Ausnahme weniger Anzeigen gibt es keine Unterschiede, was die Größe betrifft: in der Regel fünf bis sieben Zeilen. Die eben erwähnten Ausnahmen haben mehr Text und ähneln einem Nachruf. Sie beinhalten neben einem Foto auch Informationen über das Leben des Ver-storbenen (eine Art Lebenslauf). Ein Foto in einer deutschen Todesanzeige kommt hingegen einer Normverletzung gleich.
  • Die paraverbale Ebene umfasst z.B. Typographie, Interpunktion oder Schreibstil. Bei einer deutschen Todesanzeige ist der Name des Verstorbenen durch großformatige Buchstaben und Fettschrift deutlich vom restlichen Text abgehoben. Weitere Informationen sind in kleinformatigen Buchstaben oder in Kursivschrift dargestellt. Symbole wie ein Kreuz oder eine Blume sind feste typografische Bestandteile. Der Schreibstil ist sehr pathetisch und gehoben, es werden viele Euphemismen verwendet (z.B. „entschlafen“ statt „gestorben“). Auf hier sind die Unterschiede zur US-amerikanischen Version signifikant. Es werden keine (klassischen) Symbole verwendet und abgesehen vom Wohnort des Verstorbenen, der in Fettdruck und Großbuchstaben dargestellt wird, gibt es eine sehr einheitliche Typografie. Dieser Aspekt sowie der nüchtern-neutrale Schreibstil erinnert sehr an eine Zeitungsnotiz oder eine Pressemeldung, was besonders bei der detailgenauen Auflistung von Daten bezüglich Leichenschau und Bestattung deutlich wird (vgl. MOSES/MARELLI 2003: 3).
  • Bezüglich der extraverbalen Ebene lässt sich festhalten, dass Reihenfolge oder Platzierung deutscher Todesanzeigen in der Zeitung nicht nach einem besonderen Schema stattfinden (gegebenenfalls richtet sind die Platzierung nach der Größe der Anzeige und dem auf der Seite noch verfügbaren Platz). US-amerikanische Todesanzeigen werden alphabetisch nach dem Wohnort des Toten geordnet.
Diese vier Ebenen der Kommunikation stehen in einer wechselseitigen Beziehung zueinander. Zusammen bilden sie einen kommunikativen Stil, der zumindest an der Peripherie dynamisch ist, da er durch z.B. gesellschaftlichen Wertewandel oder politische bzw. wirtschaftliche Entwicklungen beeinflusst wird. Ein Beispiel hierfür ist das explizite Erwähnen der Todesursache in US-amerikanischen Todesanzeigen; eine Information, die in den 80er Jahren deutlich seltener gegeben wurde als heute. Gründe hierfür kann einerseits ein gestiegenes gesellschaftliches Verständnis für medizinische Zusammenhänge sein, andererseits ein Ansatz für die Enttabuisierung des Themas „Tod“ (vgl. MOSES/MARELLI 2003: 7).

In den USA werden Todesanzeigen wie Nachrichten behandelt, was durch den neutralen Schreibstil, das Format der Anzeige oder der Fakten-Fokussierung bestätigt wird. Der Text ist noch schematischer als bei einer deutschen Todesanzeige. Deutsche Todesanzeigen besitzen ein Nebeneinander von sachlichen sowie emotionalen Elementen mit persönlichen Anmerkungen oder pathetischen Sprüchen. Dieses emotionale Element ist inhaltlich variabel und bei US-amerikanischen Anzeigen nicht vorhanden. Letztere informiert primär als eine Nachricht die local community wird über den Tod eines Ihrer Mitglieder, die deutsche Todesanzeige schafft einen öffentlichen Raum für die Hinterbliebenen, die diesen nutzen um Ihre Trauer zu kommunizieren (vgl. SIELAFF 2003: 25).

Ein weiterer Grund dafür, dass Todesanzeigen in beiden Kulturen verschieden kommuniziert werden, mögen unterschiedlicher Zeithorizont und Planungsumfang bei Deutschen und US-Amerikanern sein. Beide Aspekte sind bei einem US-Amerikaner stärker gegenwartsorientiert als bei einem Deutschen, bei dem auch das Festhalten an Traditionen vergleichsweise fester verankert ist (vgl. BENEKE 2001: 9). Todesanzeigen in den USA informieren sachlich über den Todesfall und setzen sich ansonsten nicht mit dem Tod und eventuell dem Leben nach dem Tod auseinander. Deutsche Todesanzeigen hingegen tun dies und zwar mit einem hierfür typischen Wortschatz: Pathos, euphemistische Ausdrücke, Sprüche, Zitate und Symbole mit meist christlich-religiösem Hintergrund. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Verwendung von Fotos des Verstorbenen in einigen US-amerikanischen Anzeigen. Die Fotos zeigen meistens einen lachenden, betont lebendig wirkenden Menschen – jemanden, den man nicht mit einem Toten oder einem Todesfall in Verbindung bringen würde. Dies wirkt im Extremfall als würde die Tatsache, dass es sich um einen Todesfall handelt, weitestgehend ignoriert.

Bei mündlichen wie bei schriftlichen Kommunikationsprozessen ist es entscheidend, alle vier Ebenen der Kommunikation einzubeziehen. Nur dadurch können die vermittelten Kommunikationsinhalte, in unserem Fall die Bekanntgabe eines Todesfalls, richtig interpretieren und in einen interkulturellen Kontext gebracht werden, beispielsweise bei der Fragestellung, wie man sich in der deutschen bzw. US-amerikanischen Gesellschaft mit dem Thema „Tod“ auseinandersetzt.

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