Mittwoch, 31. Januar 2007

Deutsche Wirtschaftskultur

German economic culture
(Translation available upon request)

Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft wurde nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland entwickelt, nachdem im 19. Jahrhundert negative Erfahrungen mit dem ungehemmten Kapitalismus gemacht wurden. Als Grundlage dient das Ideal des Ordoliberalismus, bei dem der Staat einerseits die Voraussetzungen für eine Marktwirtschaft schaffen, andererseits als Korrektiv für den wirtschaftlichen Wettbewerb agieren soll. Die Wirtschaftspolitik des Staates ist somit eine Ordnungspolitik, deren Ziel es ist, „Marktwirtschaft, Kultur und Politik zum Wohl der Gesellschaft miteinander in Einklang zu halten“ (NIEMANN 2002: 333). In Deutschland ist das Vertrauen in den Markt weniger stark als in die dem Gemeinwohl verpflichteten Institutionen (Staat, Gesetz etc.) und deren wirtschaftsethische Konzepte.

Um Merkmale der sozialen Marktwirtschaft wie Hierarchie, Ordnung und Gemeinschaft historisch ableiten zu können, ist es notwendig, auf die signifikante Rolle des Katholizismus in der deutschen Geschichte einzugehen. Das Konzept der sozialen Marktwirtschaft ist maßgeblich beeinflusst durch biblische Aspekte und das Gedankengut der katholischen Soziallehre.
Den Katholizismus zeichnet eine klare Hierarchie aus. Der Papst ist Gottes Vertreter und Mittler auf Erden. Die Art und Weise, wie die Bibel interpretiert werden soll, ist nicht flexibel, sondern wird vom Vatikan vorgegeben. Daraus ergeben sich eindeutige (moralische) Verhaltensregeln und eine relativ starre Ordnungsstruktur. Der sich abwechselnde Rhythmus von Sünde und Absolution zeigt, dass Menschen immer wieder zum Sünder werden können und daher durch Autoritäten wie der Kirche auf den rechten Weg geführt werden müssen (vgl. SCHUCK 2003: 14f). Im Sündenfall kann ein Katholik durch – oft gemeinschaftlich durchgeführte – Gebete und Buße Absolution erhalten, sein Verhältnis zu Gott somit wieder herstellen und er kann ins Himmelreich aufgenommen werden.

Die Idee des Gemeinwohls als wirtschaftsethische Perspektive lässt sich in Zusammenhang mit Immanuel Kant (18. Jahrhundert) und seiner Philosophie des „kategorischen Imperativs“ bzw. der Vernunftsethik bringen. Das Streben des Einzelnen nach wirtschaftlichem Erfolg und Gewinnmaximierung wird dann als moralisch akzeptabel angesehen, wenn dies nicht zu Lasten anderer geht und somit gleichzeitig das Wohl der Allgemeinheit und ökonomisches Gleichgewicht gewahrt wird (LACHMANN 1999: 8).

Zusammenfassend lässt sich Folgendes festhalten:
  • Betonung des Allgemeinwohls (erst die Gemeinschaft, dann der Einzelne)
  • Wirtschaftliche Ordnungspolitik des Staates
  • Vertrauen in und Orientierung an hierarchischen Strukturen
  • Rationales, vernunftsbasiertes, moralisches Handeln
Diese genannten historischen Entwicklungen und Einflüsse liefern eine Erklärung für die Entstehung des deutschen Wirtschaftssystems und seine charakteristischen Merkmale.

2 comments:

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